, Präsidium (Scherer Martin)

Interview zum Neustart mit Pascal Schafer

Zum Thema “Neustart” sollen Dirigentinnen und Dirigenten, Präsidentinnen und Präsidenten oder auch Künstlerinnen und Künstler zu Wort kommen. Uns interessiert, die Situation nach den ersten zwei Wellen, welche Erkenntnisse sie aus dem vergangenen Jahr mitnehmen werden und wie der Start nach der Pandemie geplant wird.

 
Seit Monaten bestimmen Corona bzw. die Massnahmen gegen die Pandemie weitgehend unser Leben, unsere Arbeit und auch unsere Freizeitgestaltung. Die Blasmusikszene ist mehr oder weniger seit einem Jahr stillgelegt. An dieser Stelle könnten wir nun über vergangene Zeiten und verpasste Chancen lamentieren oder diskutieren, ob nun das halbvolle Glas halb leer geworden ist.
 
Der SMV will aber in die Zukunft blicken. Wir selber haben die Zeit ohne Konzerte und eigene Anlässe genutzt, um nach dem Aktualisieren unserer Statuten und Reglemente, auch Pflichtenhefte neu abzufassen und - für unsere Mitglieder besser sichtbar - unseren Internetauftritt neu zu gestalten. Hier sollen vermehrt Infos und Themen als Blog publiziert und Mitglieder zum Anregen, Nachdenken oder sogar Mitmachen animiert werden.
 
 
Frage: Pascal Schafer, wie stark warst du persönlich von der Pandemie betroffen und wie geht es dir heute?

Antwort: Als Musiker bin ich direkt und sehr stark betroffen, denn neben der Gastronomie dürften die Massnahmen des Bundes die Kulturbranche sehr nachhaltig getroffen haben. Glückicherweise habe ich ein grosses Pensum an den Musikschulen und konnte immerhin auf Distanz unterrichten. Leider mussten aber die meisten Konzerte der Bands trotz Schutzkonzepten abgesagt werden.

Rückläufig waren auch die eigenen Engagements. Im letzten halben Jahr sind nur drei bis vier seriöse Anfragen eingegangen. Die momentan herrschende Stille bereitet mir doch einige Sorgen.

F: Neben deiner Dirigiertätigkeit unterrichtest du, fungierst als Kursleiter und bist auch ein gefragtes Jury-Mitglied. Welche Ängste, Albträume oder Szenarien haben dir im vergangenen Jahr am meisten zugesetzt?

A: Ich sorge mich allgemein um die Zukunft der Blasmusik. Wie kann ich den Unterricht weiterhin interessant gestalten. Bleiben mir über längere Zeit genügend Schüler, die ich unterrichten darf? Auch wenn ich immer noch neue Schüler begrüssen kann, wird es gefühlsmässig schwieriger, neue Interessierte zu suchen und zum Unterricht zu motivieren.

In der Vergangenheit durfte ich an vielen Kantonalen Musikfesten und auch an Eidgenössischen in der Jury mitwirken. Doch wie geht es weiter? Ich habe doch auch Ängste, dass man plötzlich nicht mehr auf den Listen figuriert und sehr schnell nicht mehr gefragt werden könnte.

Allgemein ist auch die Organisation von Anlässen und Konzerten erschwert. Es braucht immensen Aufwand, um dann vielleicht doch etwas realisieren zu können.

F: Welche Erkenntnisse und Erfahrungen wirst du mitnehmen?

A: Positiv kann sich die Erfahrung des Fernunterrichtes auswirken. Sei es nur um Lektionen nachzuholen oder sich dann auf einen Wettbewerb vorzubereiten. Ganz spannend ist hierzu die neue Art der Zusammenarbeit. Diese kann sich zu Gunsten des Schülers auswirken. Der Präsenzunterricht kann natürlich nicht ersetzt werden, aber der Fernunterricht ist eine spannende Alternative mit gewissen Vorteilen. 

Die neu entdeckten Medien werden sicher auch für zukünftige Sitzungen weiterhin genutzt. Auch wenn bei Online-Sitzungen das Persönliche etwas fehlt, punktet diese Art mit der grösseren Flexibilität auf der Suche nach Terminen.

Jeder Lehrer und Musiker hat sich in den letzten Monaten sicherlich mit den technischen Hilfsmitteln auseinandergesetzt und einige Vorteile kennen gelernt. So können nun Videos und Audioaufnahmen für die Förderung besser genutzt werden.

Ich persönlich habe mich schon früh damit befasst und war von Anfang an gut ausgerüstet. Auch mein Notenmaterial hatte ich bereits eingescannt und konnte deshalb die Schüler direkt mit den PDFs bedienen und musste ihnen die Noten nicht umständlich per Post zukommen lassen.

F: Wird die Pandemie einen Einfluss auf die Zukunft der Musiklehrer und Jurymitglieder haben?

A: Einerseits dürften die technischen Hilfsmittel noch vermehrt Einzug halten. Andererseits habe ich die persönliche Freiheit und die eigene Gestaltung der Freizeit mehr schätzen gelernt. Ich denke, dass diese Zeit bei vielen Kolleginnen und Kollegen Spuren hinterlassen hat. Klar sind momentan zu wenige Engagements vorhanden, aber diese dürften in Zukunft besser geprüft und die Ziele hinterfragt werden. Jurymitglieder dürften in der nächsten Zeit auch eher die Motivation der Musikantinnen und Musikanten in den Vordergrund stellen. Es dürfen nicht zu viele abspringen.

F: Was hast du im letzten Jahr so richtig vermisst?

A: Dies ist eine schöne Frage. Vor einem Jahr hätte ich nie gedacht, wie sehr einem Personen fehlen können. Es sind die sozialen Kontakte, die das Leben bereichern. Ich vermisse die Mitglieder der Bands. Ich vermisse die Gespräche mit den Erwachsenen, die Treffen mit Kollegen, das Bier nach der Probe – obschon ich ja eigentlich immer für das Musik machen hingegangen bin – dies alles waren für mich persönlich echt lehrreiche Erkenntnisse. Zusammengefasst vermisse ich die Arbeit mit diesen Personen, etwas kreieren, gemeinsam auf ein Ziel hinzuarbeiten. Ja, ich vermisse sehr vieles.

F: Welche Tipps hast du für unsere Musikantinnen und Musikanten, die nun längere Zeit ihr Instrument versorgt hatten und sich für die erste Probe vorbereiten wollen?

A: Wichtig ist es, dass alle wieder mitmachen werden. Der Musikmotor muss wieder in Schwung gebracht werden. Wir müssen unsere Szene wieder attraktiv machen. Es lohnt sich für eine gute Sache motiviert an die Probe zu kommen und gemeinsam wieder etwas erreichen wollen.

In der Pandemie hatte ich selber eine Phase, in der auch ich das Instrument mehr oder weniger weggelegt hatte. Wofür sollte ich proben, ohne Aussicht auf Konzerte? Mit einem Schüler setzte ich uns beiden dann ein gemeinsames Ziel und übte wie schon lange nicht mehr. Je besser es lief, desto grösser wurde wieder die Freude am Musizieren. Die Musikantinnen und Musikanten müssen wissen, dass eine gute Probevorbereitung nicht für den Dirigenten passiert, sondern es „fägt“ einfach für alle.

F: Wann glaubst du, wird die Blasmusikszene wieder zum Leben erweckt, bzw. können die Vereine wieder vollzählig proben?

A: Ich war von schon immer Optimist und musste deshalb manches Programm wieder anpassen. Nach meinen Planungen möchte ich gerne mit meinen Bands im Mai ein erstes Ensemblekonzert geben können. Auch wenn ich mir die aktuellen Zahlen der neuen Ansteckungen anschaue, will ich Optimist bleiben, und hoffe ab Juni mit meinen Bands wieder auf ein Ziel hin richtig proben zu können. Ohne Ziel zu proben ist aussichtslos. Doch bereits ein Openair-Konzert oder die Teilnahme an den SEGW können ein solches Ziel sein. Leider steht der Verlauf der Pandemie aber immer noch in den Sternen.

F: Wie wirst du die ersten Proben in deinem Verein gestalten?

A: Auch das ist für mich eine sehr spannende Frage, da ich schon heute nervös bin und mir einige Szenarien ausmale: Wie wird die Begrüssung aussehen? Gibt es ein Händeschütteln oder sogar Umarmungen?  Bereits in den abgehaltenen Zoom-Treffen habe ich gemerkt, wie wichtig mir die Personen sind, wie sehr sie mir ans Herz gewachsen sind.

Ich glaube aber schon, dass ich sehr nervös an diesen „Neustart“ gehen werde. Nach zwölf Jahren in Biel kann ein Jahr Unterbruch auch eine Chance sein. Das Bisherige kann hinterfragt werden und gemeinsam können neue Zielsetzungen definiert werden. Rundherum also eine spannende Situation.

F: Welche Probleme erwartest du als Dirigent in musikalischer Hinsicht?

A: Ich habe schon mit mehreren Personen über die Erwartungen gesprochen. Ich denke, dass sich das Niveau in verschiedene Richtungen entwickelt hat. Einzelne dürften sich weiter verbessert haben, andere ihr Instrument fast ein Jahr beiseite gestellt haben. Vor allem jüngere und die wirklich motivierten Mitglieder dürften zur ersten Gruppe gehören, die weiterhin Unterricht und Workshops besucht haben. Hingegen hoffe ich, dass der Spagat zur zweiten Gruppe mit allfälligen Zweiflern nicht zu gross geworden ist. Diese dürfen nicht gleich überrumpelt werden. Es muss damit gerechnet werden, dass es nicht mehr für alle stimmen könnte. Andererseits könnten diese Personen auch realisieren, was ihnen in der letzten Zeit gefehlt hat und wieder motiviert ans Üben gehen. So wird es sicherlich auch zu positiven Überraschungen kommen.

F: Welche Wünsche hast du für die Zukunft?

A: Ich wünsche mir von Herzen, dass das ganze Kulturwesen wieder einen höheren Stellenwert erhält. Corona könnte doch auch das Bewusstsein verstärkt haben, was einem ohne Kultur alles fehlen kann. Mit dem Vernachlässigen des ganzen Kulturschaffens ist es doch auch langweilig geworden. Ich hoffe, dass die Personen umso hungriger in die Probelokale und Konzertsäle zurückkehren werden. Ich wünsche mir wirklich, dass wir mit den ersten Proben auch wieder unsere Möglichkeiten hier zu schätzen wissen und mit Blick auf andere Länder doch zufrieden sein müssen.

Pascal, herzlichen Dank für das kurze Interview. Der SMV wünscht dir alles Gute.

Ich danke für die Anfrage zum Interview und für die wichtige Arbeit, die der SMV immer wieder leistet. Ich wünsche allen eine gute Zeit.

 

Pascal Schafer wurde 1982 in Freiburg geboren. Nach erfolgreichem Abschluss des Tuba-Lehrdiploms am Konservatorium Freiburg 2005 trat er in die Konzertklasse von Guy Michel an der Hochschule der Künste in Bern ein. Dieser Abschluss erfolge im Jahr 2009, mit dem Euphonium vertiefte er dabei zusätzlich ein Parallelinstrument. Dank eines Stipendiums der „Fondation Hermann Elsner“ konnte Pascal Schafer im Frühling 2008 ein Auslandsemester an der Hochschule für Musik und Theater Hannover absolvieren, dies in der weltweit renommierten Tuba-Klasse von Herrn Jens-Björn Larsen. 

Im Herbst 2005 trat er in die Berufsklasse für Blasmusik-Direktion bei Jean-Claude Kolly am Konservatorium Freiburg ein. Im Sommer 2011 schloss er das Master- Studium "Blasmusikdirektion" an der Hochschule HEMU (Vaud, Valais, Fribourg) ab. Nebst seinen Studien und seiner Tätigkeit als Lehrer, Kursleiter und Dirigent arbeitete er während 5 Jahren als Instrumenten-Reparateur bei der Firma Musik Beat Zurkinden AG in Düdingen.

Als Dirigent leitet er in unserem Verband die Stadtmusik Biel. Neben seiner Dirigiertätigkeit unterrichtet er an diversen Musikschulen und am Konservatorium Freiburg als Instrumentallehrer und fungiert als Kursleiter. Pascal Schafer ist auch ein gefragtes Jury-Mitglied an diversen Blasmusik- und Solistenwettbewerben sowie an Maturitätsprüfungen.

 

Hier gehts zu den Interviews mit

- Ueli Schori
- Isabelle Ruf-Weber
- Marco Aebersold
- Michael Bach
- Bruno Thomann
- Philippe Monnerat